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Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 15.07.2022, 18:44
von BorisV6
Moin zusammen,
in letzter Zeit fällt mir immer häufiger ein Poltern von der Hinterachse und ein schwammiges Fahrgefühl auf. Heute habe ich dann mal im Stand an den hinteren Rädern gerüttelt, die haben richtig Spiel obwohl die Radbolzen fest sind. Da ist richtig Bewegung drin wenn man ordentlich dran rüttelt und hört, dass da irgendwo etwas lose ist, macht ordentlich „ Klack Klack“ wenn man dran rüttelt.
Hat jemand eine Idee was da los sein könnte?
Danke und Gruß,
Boris
Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 15.07.2022, 20:40
von kaputtmach
Du hast ja den Fronti mit Scheibenbremse hinten? Womöglich sind die Radlager hinten fertig. Mach mal den Deckel an der Nabe auf. Wenn die schon trocken sind und dir die Kugel entgegen kommen - neu machen. Klackern ist jedenfalls schlecht.
Neue Lager kosten ca. 30€ je Seite. Hab auch schon welche rumliegen, aber noch nicht verbaut. Abziehen und Einpressen sind besch...eidene Arbeiten.

Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 16.07.2022, 17:02
von BorisV6
Moin!
Ja, 2.6. Fronti mit Scheibenbremsen hinten.
Ich hab schon mit meinem Schrauber gesprochen, wir gucken uns das Montag mal an. Der hatte nach meiner Beschreibung auch schon auf Radlager getippt.
Man bekommt echt einen Schreck wenn das da hinten plötzlich so poltert und wackelt wenn man das Rad bewegt. Ich hoffe der Aufwand wird nicht zu groß und das Thema ist schnell erledigt

Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 16.07.2022, 18:31
von kaputtmach
Man kann das Spiel der Lager einstellen, aber wenns beim Fahren schon schwammig ist und klackert, wird das wahrscheinlich nicht mehr viel bringen. Bei mir reichte eine Vierteldrehung der Mutter, langfristig müssen die sicher irgendwann trotzdem neu.

Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 16.07.2022, 20:18
von StefanS
Hallo,
beim Radlager hinten:
- Staubkappe abnehmen (mit kleinem Meisel vorsichtig rundum lösen
- Fett 8sofern vorhanden entfernen
- Splint gerade biegen und herausziehen.
- Sicherungskappe abnehmen
- jetzt kann man die Mutter bewegen.
-> entweder jetzt das Radlagerspiel einstellen
- dazu die Mutter ganz leicht zudrehen, während man das Rad dreht.
- mit einem ca. 7mm Schraubendreher durch "verdrehen" die Freigängigkeit der großen U-Scheibe immer wieder überprüfen.
-- die Scheibe lässt sich durch Hebeln immer verschieben, es muss aber gewährleistet sein, dass es durch verdrehen des Schraubendrehers funktionieren.
-> oder Radlager ersetzen
- dazu die Mutter entfernen
-- Trommelbremse bzw. Scheibenbremse setzten voraus, dass die Backen gelöst sind bzw. der Bremssattel mit Sattel-Träger entfernt wurde.
- Radnabe oder Bremstrommel komplett mit Radlager und Scheibe abnehmen - dabei am Besten den Daumen hinhalten, damit das Lager mit der Scheibe nicht herausfällt.
- äußeres Kegelrollenlager entnehmen. Die große "U-Scheibe" wird später wieder benötigt.
- hinteren Simmerring heraushebeln und hinteres Kegelrollelager entnehmen
- Fett entfernen.
- Man erkennt nun im inneren der Lageröffnung jeweils drei kleine Aussparungen durch die man mit einem Dorn abwechselnd die Lagerschale heraustreiben kann. Das geht recht gut.
Jetzt alles mit Bremsenreiniger reinigen bevor man das neue Lager einsetzt.
- Ich habe mir passend für die beiden Lagerschalen jeweils einen kleinen Zylinder drehen lassen mit dem ich die Lagerschalen reinpressen (oder früher reinschlagen) kann. Man kann auch die alten Lagerschalen etwas abschleifen und dafür verwenden.
- Lagerschalen vorher im Gefrierschrank lagern macht es etwas leichter (der Durchmesser reduziert sich dadurch.)
- Lagerschalen keinesfalls verkanten - das mögen die gar nicht.
- Jetzt die hintere Lagerschale fetten und das Kegelrollenlager (ebenfalls gefettet) einsetzen.
- Simmerring vorsichtig einpressen - ebenfalls dabei nicht verkanten
- Nun kann man die Bremstrommel/Radnabe wieder auf den Achszapfen aufschieben (den man vorher ebenfalls gereinigt hat.
- Äußeres Kegelrollenlager fetten und einsetzen. Ich fülle den "Zwischenraum" immer mit reichlich Fett.
Die Scheibe und Mutter aufsetzen und beim Einstellen wie oben verfahren.
Wichtig ist, dass man die Nabe dabei leicht dreht, damit sich alles richtig "setzt".
Wenn man bis hierher alles richtig gemacht hat, dann hat das Radlager nur minimales Spiel und hält sehr lange, weil man es nicht schon durch zu festes Anziehen der Mutter beschädigt hat.
Es gibt auch solche Ansagen wie "Festziehen und dann wieder eine viertel Umdrehung lösen - davon halte ich nichts, weil die Meisten dabei die Lager schon beschädigen.
Die Methode mit dem Schraubendreher und der Drehenden Bewegung funktioniert dagegen zuverlässig.
So - genug getippt.
Gruß Stefan
Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 17.07.2022, 12:56
von BorisV6
Moin Stefan,
vielen Dank für die sehr ausführliche Beschreibung und die umfangreiche Hilfe! Danke für deine Mühe!
Kommt sowas eigentlich plötzlich mit den Radlager? Ich bin vor drei Wochen noch 2000 km durch Schweden gefahren und da war nichts! Und wie sollte man dann Fahren einschränken? Sind kurze Fahrten noch drin?
Letzte Frage: wie kommt denn das (also technisch), dass man richtig am Rad wackeln kann und dass es sich sogar bewegt? Also was ist da genau locker? Weil das Rad ja durch die Bolzen fest ist hätte ich nicht gedacht, dass sich die Räder im Stand richtig in seitlicher Richtung bewegen lassen. Sorry, falls das dumme Fragen sind..
Gruß Boris
Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 17.07.2022, 13:32
von StefanS
Hallo Boris.
Wenn das Radlager trocken läuft bzw. sehr heiß wird, kann das Fett zu brennen beginnen und ein blockierendes Lager den Achszapfen beschädigen.
Nur weil es ein wenig „wackelt“ passiert aber nichts.
Das „Spiel“ kommt dadurch, dass Du mit der Mutter die beiden Kegel (Kegelrollenlager) in die beiden Lagerschalen (ebenfalls kegelförmig) drückst und Kegelrollen und Lagerschalen dann perfekt aufeinander eingestellt sind.
Gruß Stefan
Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 17.07.2022, 13:55
von kaputtmach
BorisV6 hat geschrieben: ↑17.07.2022, 12:56
wie kommt denn das (also technisch), dass man richtig am Rad wackeln kann und dass es sich sogar bewegt? Also was ist da genau locker?
Servus Boris, die Räder sind freilich fest an der Nabe. Die Radnabe ist aber natürlich nicht fest auf der Hinterachse, sondern drehbar. Damit das drehbar ist, ist die Nabe mittels zweier Kegelrollenlager auf den Zapfen der Hinterachse geschoben. Eins vorn, eins hinten. Laufen die Lager durch Verschleiß ein, erhöht sich deren Spiel. Dann "schwimmt" die Nabe auf dem Zapfen der Hinterachse, wodurch das Rad kippeln kann.
Das wiederum verschlechtert die Spurführung, da besonders die Seitenkräfte nicht mehr richtig aufgenommen werden können.
BorisV6 hat geschrieben: ↑17.07.2022, 12:56
Und wie sollte man dann Fahren einschränken? Sind kurze Fahrten noch drin?
Fahren sollte man so nicht mehr wirklich, vor allem nicht zügig. Durch das Spiel kriegt der Achszapfen dann Kräfte ab, für die er nicht ausgelegt ist. Der ABS-Ring kippelt mit und könnte möglicherweise Schaden nehmen, wenn der Abstand nicht mehr passt und er den Sensor touchiert. Langfristig laufen die Bremsbeläge eventuell schief ein, was auch den Bremssattel ruinieren kann. Geht alles zulasten der Fahrsicherheit und Kontrollierbarkeit, besonders in Grenzsituationen.
BorisV6 hat geschrieben: ↑17.07.2022, 12:56
Kommt sowas eigentlich plötzlich mit den Radlager? Ich bin vor drei Wochen noch 2000 km durch Schweden gefahren und da war nichts!
Beginnendes Spiel merkt man beim Fahren erst mal nicht. Fällt erst auf, wenn es wirklich zu spät ist. Meins war während der Fahrt noch nicht spürbar und verrursachte auch keine Geräusche, wurde aber vom TÜV bemängelt (EM). Auf der Hebebühne konnt man das Rad hinten links annähernd einen Millimeter kippen, rechts einen halben. Durchs nachstellen ging es weg und trat seither nicht mehr auf. Ist aber nicht die optimale Lösung.
Hab die Ersatzteile da, aber hatte erst kurz vor der HU die Bremse komplett erneuert und keine Motivation mehr gehabt, dem beizukommen. So wie es Stefan beschrieben hat, ist auch die offizielle Anleitung im RLF. Klingt beim Lesen gar nicht so nach einem Akt. In der Praxis sind die Sattelhalterschrauben oft schon arg fest, wegen der Starrachse vor allem links schwierig zu erreichen ohne sie rund zu ballern. Das Abziehen und Einpressen der Lagerschalen ist auch eine Kunst für sich.
Das Einstellen wiederum ist gar nicht so schwer; wenn man sowas schon mal gemacht hat, bspw. mit einem Lenkkopflager am Motorrad, das im Prinzip genauso funktioniert.
Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 18.07.2022, 10:05
von BorisV6
Moin!
Vielen herzlichen Dank für eure ausführliche Hilfe und die technischen Erklärungen! Ich bin zwar Automobilkaufmann und habe grob Ahnung von der technischen Seite, aber wenn es ins Eingemachte bin ich raus. Daher sind solche anschaulichen Erklärungen sehr hilfreich für mich zu verstehen, wie das alles funktioniert. Generell muss ich sagen ist der Umgang speziell in diesem Forum sehr freundlich und hilfsbereit!
Ich habe mein Auto gleich heute Morgen mit meinem Schrauber auf die Bühne gehoben und er hat sich alles in Ruhe angesehen und schließlich das Radlager hinten links eingestellt. Tatsächlich ist die vorher beschriebe Schwammigkeit weg und das "Klack Klack" wenn man daran rüttelt auch. Ein bißchen Spiel sollen die Radlager ja haben, das passt also alles. Ich werde das ganze in den nächsten Tagen beobachten und hoffe, dass sich das erledigt hat. Ich hatte schon Befürchtungen, dass das jetzt eine Großbaustelle wird. Irgendwie bin ich immer empfindlich wenn es um meine Autos geht und es fällt mir schwer erstmal abzuwarten

Daher nochmals Danke!!
Gruß Boris
Re: Poltern HA/ Räder haben Spiel
Verfasst: 21.07.2022, 21:36
von scotty10
Nabend Allerseits,
@ BorisV6
Schön, das Dir die technischen Erläuterungen beim Verstehen der Problematik geholfen haben.
"...Ich bin zwar Automobilkaufmann und habe grob Ahnung von der technischen Seite, aber wenn es ins Eingemachte geht, bin ich raus. ..."
Das ist auch nicht schlimm.
Genau für solche Sachen ist dieses Forum ja da bzw. gedacht !
Man muss nicht Alles selbst machen bzw. machen können .
Dazu hat auch nicht Jeder die Möglichkeit (Werkzeug , Platz und Zeit).
Und ich selbst bin keine Ausnahme.
Ich finde es daher immer gut, wenn man - so wie hier im Forum - auf vielfältige , langjährige und gute Erfahrung von vielen Leuten
zugreifen kann.
Sowas ist mehr als Gold-Wert !
Das wollte ich schon lange loswerden.